ETB-Kommentar

Irrsinnige Luftschlösser am Uhlenkrug

Wer am Donnerstag in der Vereinsgaststätte des ETB dem neuen Vorstandsmitglied Axel Lechtken aufmerksam zuhörte, dürfte schon nach wenigen Minuten den Verdacht gehabt haben, einer Satire aufgesessen zu sein. Das war allerdings nicht der Fall. Auch "Verstehen Sie Spaß?"-Moderator Guido Cantz wurde nicht gesichtet. Was der neue starke Mann der Essener von sich gab, war tatsächlich sein Ernst.

Unter dem Slogan "Regio 2 go" will der ETB künftig am ganz großen Rad drehen. Der Oberliga-Dino, der in den letzten zwei Jahren nur knapp dem Abstieg in die Landesliga entgangen ist, peilt in den nächsten zwei Jahren den Aufstieg in die Regionalliga an. Trotz einiger vielversprechender Spieler-Transfers und der soliden Arbeit des erfahrenen Trainers Manfred Wölpper dürfte das ein äußerst ambitioniertes Unterfangen werden. Doch damit nicht genug: Die Zuschauerzahl am Uhlenkrug solle signifikant gesteigert, die Mitgliederzahl verdoppelt werden. Ein Vorhaben, das in den letzten 20 Jahren noch niemand umsetzen konnte.

Sportlicher Erfolg könnte dabei zumindest im Ansatz behilflich sein. Dafür benötigt der in den letzten Jahren unter chronischer Geldnot leidende Verein freilich auch entsprechende finanzielle Mittel. Auch dafür hat der Verein nun offenbar eine Lösung gefunden. Nicht weniger als 30 neue Partner und Geldgeber wolle man hinzugewinnen, schwadronierte Lechtken. Wie schwierig sich dieses Vorhaben in der vermeintlichen Sportstadt Essen gestaltet, könnten ihm sein Kooperationspartner Rot-Weiss Essen oder die anderen rund 80 Sportvereine in Essen erläutern. Doch Lechtken hat einen Plan. Mundpropaganda, Veranstaltungen und Marketingkonzepte seien vonnöten, um das Interesse der Wirtschaft zu wecken. Der Referent nannte auch ein konkretes Beispiel: Der Verein soll eine neue Internetpräsenz erhalten - auch in englischer Sprache! Der Fünftligist aus dem Ruhrgebiet, dem es in den letzten Jahren häufig nicht gelang, Rechnungen und Gehälter pünktlich zu bezahlen, möchte auf dem internationalen Markt auf sich aufmerksam machen. In Silicon Valley dürften die Jubelstürme nicht zu überhören sein.

Was ist aus "Perena" geworden?

Um es ernsthaft auf den Punkt zu bringen: Der ETB macht sich mit diesen irrsinnigen Luftschlössern zum wiederholten Male zum Gespött der Fußballszene. Denn Nebelkerzen haben am Uhlenkrug Tradition. Kein Jahr vergeht ohne ein neues Konzept, mit dem die immer wieder wechselnden Verantwortlichen den Fußball neu erfinden wollen. Im Sommer 2014 fabulierte Jochen Schramm über neue Konzepte und eine glorreiche Zukunft des ETB. Wenige Monate später erklärte er seinen Rücktritt.

Ein Jahr danach stellte der Verein das Beratungsunternehmen "Perena" als neuen Sponsor vor. Eine Firma mit angeblichen Drähten nach Dubai. Seit der Vorstellung im September 2015 ist es ruhig um den neuen Geldgeber geworden. Auf der Homepage des Vereins taucht "Perena" nicht mehr auf. Wurde das Unternehmen einfach nur ohne Geräusche entsorgt oder kommt bald der große Durchbruch und die feierliche Erfolgsmeldung? Letzteres wohl eher nicht...

Ehrgeizige Projekte ohne wirtschaftliche Grundlage

Axel Lechtken kündigt nun aber an, dass am Uhlenkrug künftig alles besser werden soll. Der ETB müsse geweckt werden, sagt der neue Macher, der zuvor im Vorstand des SC Paderborn aktiv war. Allerdings in der Tennis-Abteilung. Und auch er macht denselben Fehler, an dem seine Vorgänger gescheitert sind. Der ETB präsentiert seinen Fans und Mitgliedern ehrgeizige Projekte, ohne dafür die notwendige wirtschaftliche Grundlage geschaffen zu haben, vergleichbar mit einem Arbeitssuchenden, der von einem Haus am Meer träumt. Erst mit einem verlässlichen und seriösen Partner im Rücken sollte über neue Ziele gesprochen werden. Stattdessen werden am Uhlenkrug wieder Luftschlösser gebaut. Die negativen Folgen musste in den letzten Jahren stets der ewige Vorsitzende Heinz Hofer (79) ausbaden. Ohne ihn wäre der Verein wohl längst von der Bildfläche verschwunden. Für Hofer bleibt zu hoffen, dass ihm weitere gescheiterte Konzepte künftig erspart bleiben.